Entschuldigung für die reißerische Überschrift, aber dieser Perspektivwechsel veranschaulicht so schön das eigentliche Problem. Oliver Bierhoff ist DFB-Teammanager. Fußball und so. Werbeverträge klar machen, Trainingslager buchen, bei Interviews gut aussehen. Jetzt kommt’s: Man stelle sich vor, er ist einer von diesen Männern, die mit Frauen schlafen! Böse Unterstellung. Was dieser Alexander von Beyme hier ungefiltert für Gerüchte verbreitet. Was für ein Angriff! Da muss man sich doch gegen wehren!
Wirkt völlig übertrieben, oder?
Die ARD hat am vergangenen Sonntag den „Tatort – Mord in der 1. Liga“ gezeigt, in dem es (unter anderem) um einen schwulen Fußballer ging. Im Film macht sich nach knapp 20 Minuten jemand darüber lustig, dass ja die halbe Nationalmannschaft als schwul gelte, einschließlich Trainerstab. Ich bin nicht sicher, ob Oliver Bierhoff den Tatort selbst gesehen hat, aber er ist von der BILD-Zeitung nach seiner Meinung gefragt worden. Er spricht von moralisch sinkenden Werten, dass Dinge ungefiltert weiterverbreitet würden. Die Prominenz der DFB-Elf sei missbraucht worden und der Satz sei ein Angriff auf seine „Familie der Nationalmannschaft“. Und man müsse sich ja jetzt was überlegen, „dass wir nicht wehrlos sind gegen Gerüchte und falsche Unterstellungen aller Art.“
Ein Angriff? Sich wehren? Was offenbart das für eine Geisteshaltung? So spricht nur einer, der es superschlimm und ganz schön scheiße findet, mit irgendwas Schwulem in irgendeinem Zusammenhang erwähnt zu werden. Man muss jetzt nicht gleich das ganz große Faß aufmachen wie n-tv-Redakteur Christoph Wolf mit dem Fazit, dem Kampf gegen das Tabu sei mit der rückschrittlichen Reaktion Bierhoffs nicht geholfen. Aber wie der Würzburger Journalist und Blogger Henning Bulka hätte ich mir einfach mehr Gelassenheit gewünscht:
Ich glaube, das grundlegende Problem, dass an dieser Stelle bei vielen Männern im Kopf existiert, ist das des Unwohlseins, wenn sie mit etwas Fremdem und Unbekanntem konfrontiert werden. Warum sonst würde Oliver Bierhoff eine solche Vermutung als Unterstellung sehen? […] Wenn jemand auf mich zukommen würde, und sagen würde, „Mensch, mir kannst du’s doch sagen, du stehst doch eigentlich schon eher auf Frauen, oder?“, dann wäre meine Antwort nicht, „Was fällt dir ein, mir so etwas zu unterstellen?!“, nein, ich würde wahrscheinlich sagen, „Nein, da bist du wohl falsch informiert, ich bin mit meinem Freund sehr glücklich.“
Was die angeblich schwule Nationalmannschaft angeht: Der NDR hat für die ganz Doofen inzwischen erklärt, dass die Bemerkung keine Tatsachenbehauptung gewesen sei, sondern Ironie. Und wer nach der Tatort-Fiktion Lust auf Fakten verspürt: Sport1 zeigt am Sonntag (26. März) um 13 Uhr die Dokumentation „Fußball ist alles – auch schwul!“ des Grimmepreisträgers Aljosha Pause.
Herr Bierhoff ist Verkäufer. Und als solcher verkauft er auch ein Image, da er die Nationalmannschaft nicht in Streifen an der Theke verkaufen kann.
Aus diese Grund unterstelle ich Herrn Bierhoff auch keine Böswilligkeit, aber auch nur weil ich einen guten Tag habe. Das Image der Nationalmannschaft soll halt dem eines total männlichen Sports gleichen (man denke sich das typische Brumftgebrüll im Hintergrund). Da passt es schlecht hinein, wenn selbst nur in der Ironie gesprochen die „halbe Nationalmannschaft“ schwul sei.
Andererseits könnten sich da auch neue Synergien auftun. Schon das hauptberufliche Pflegemittelmodel und nebenberuflicher Bundestrainer hat mit seinen beworbenen Produkten immer einen bleibenden Eindruck auf jeden CSD.