Während die Diskussion über Schwule im Profi-Fußball immer mal wieder Schlagzeilen macht, sind homosexuelle Freizeitfußballer seit Jahrzehnten untereinander vernetzt. Wie eine große Familie treffen sie sich auf dutzenden Freundschaftsturnieren, der Sport verbindert über Grenzen hinweg. Warum eigentlich gibt es Fußball-Teams für Schwule?
„Friends Prague gewinnen Deutschlands größtes schwules Fußballturnier“ habe ich an unseren Presseverteiler herausgegeben, als ich am vergangenen Wochenende für meinen Fußball-Verein und das „StartschussMasters“ im Einsatz war. Wir hatten 16 Mannschaften am Start, aus ganz Deutschland, aber auch international besetzt: Außer den Pragern hatten sich die Stockholm Snipers und PAN Fodbold Kopenhagen auf den Weg gemacht. Wir hatten außerdem prominente Unterstützung: NDR-Fernsehmoderatorin Anke Harnack hat bei der Eröffnungspartys die „Losfee“ gemacht, und als Gastredner hat der Schauspieler Peter Lohmeyer („Das Wunder von Bern“ oder ganz aktuell im Fernsehfilm „Blutadler“) über seine Sicht auf Homophobie im Fußball gesprochen.
Lässt sich in diesen Zeilen meine Begeisterung erahnen? Schon ab und zu bin ich mit meinen euphorischen Erzählungen über die schwule Fußballtruppe auf Unverständnis gestoßen: Warum muss man denn unbedingt eine schwule Fußballgruppe gründen? Auch noch ein ganzes Turnier? Ist das nicht eine Selbstghettoisierung?
„Geile Möpse, ey!“ gibt’s auch andersrum
Ja, das ist eine Selbstghettoisierung, und dafür gibt es mehrere Gründe: Viele sind es einfach leid, sich erklären zu müssen. Ganz selbstverständlich vom Platz zu gehen und seinem Freund einen Kuss zu geben, ohne dass jemand glotzt – das ist Lebensqualität. Unverblümt erzählen zu können, wie peinlich der letzte Flirtversuch in der Gay-Bar ausgegangen ist – unbezahlbar! Es wird ja so viel davon geschrieben, dass Fußball generell etwas von einem Männerbund hat. Meistens geht es dann darum, irgendein Boller-Heten-Verhalten zu rechtfertigen – bloß gilt das eben nicht nur im Mainstream-Fußball, sondern auch unter Schwulen gibt es so ein verbindendes Element. Plakativ gesagt: Wenn Heten-Mannschaften durch „geile Möpse, ey!“ zusammengehalten werden können, dann ist es doch nicht verwunderlich, wenn Homo-Teams durch andere Dinge zusammengehalten werden. Oder etwas intellektueller: Auch wenn ein schwuler Spieler vielleicht im Kreisklasseverein akzeptiert wird, heißt das noch nicht, dass er sich dort verstanden fühlt. Das ist ein Unterschied.
Schwule haben nicht immer Lust, Paradiesvögel zu sein
Im Amateurfußball ist es für Schwule in den vergangenen Jahren deutlich leichter geworden. Ich kenne Spieler wie Tony Quindt aus meiner schwulen Fußball-Truppe, die parallel in anderen Mannschaften kicken und dort gute Erfahrungen gemacht haben. Aber wie bei Tony zum Beispiel gut in zahlreichen Fernsehbeiträgen zu sehen ist, reagieren Mitspieler im ersten Moment „überrascht“ oder „perplex“ (O-Ton). Das ist schon okay und nachvollziehbar, aber wir Schwule haben halt auch nicht immer Lust, Paradiesvögel zu sein. Und wenn es darum geht, sich freizeitmäßig etwas sportlich zu betätigen, ziehen es viele vor, sich auf schwules Terrain zu begeben.
Das StartschussMasters als Turnier ist nun eine Möglichkeit, in der Masse aufzutreten. Hallenfußball kann ganz schönes Gebolze sein, aber wir hatten am vergangenen Wochenende viele Spiele auf hohem Niveau mit durchdachten Spielzügen. Ich helfe gerne mit, solche Turniere an die Öffentlichkeit zu bringen. Irgendwann reagiert vielleicht niemand mehr „überrascht“ oder „perplex“, dass ein guter Fußballer im Team zufällig schwul ist. Und ordentlich zugetreten haben wir auch, wie im Video zu sehen ist.